Die „Ewige Stadt“ ist mit Sicherheit eines der beliebtesten Ziele für Städtetouris. Fast jeder kennt die üblichen Sehenswürdigkeiten – Fontana di Trevi, Spanische Treppe, Colosseum. Und natürlich den Petersdom, auf Reisefotos gebannt. Soweit, so gut – so normal.

Das Vergnügen – die Ehre – die uns zuteil wurde, wird indes länger nachwirken, als Digitalfotos heutzutage haltbar sind. Jeder von uns Musikanten hat seine persönlichen Eindrücke mitgenommen, die keiner jemals vergessen wird.

Inmitten dieser überlaufenen Stadt, die selbst in der Vatikanstadt nur touristisch und wenig sakral wirkt, dürfen wir durch die „Porta di Bronzo“ schreiten. Es klingt albern, aber durch den Eingang zum Apostolischen Palast geht man doch nicht einfach nur: Dort, wo man sich vom Touristenstrom trennt, wird man sich spätestens bewusst, einen besonderen Weg zu be-schreiten. Die Schweizer Gardisten salutieren; vielleicht sind sie auch ein bisschen froh darüber, nicht die einzigen in bunten Klamotten zu sein.

Langes Warten auf der Scala Regia, der Königlichen Treppe. Nervosität ist es nicht einmal, mehr die gespannte Erwartung dessen, was noch so folgen wird. Der italienische Kameramann des Bayerischen Fernsehens packt sein Gerät aus und hält fest, wie der Oberbürgermeister die notwendigen Protokolle unterzeichnet. Dann endlich geht es weiter. Ein Schweizer Gardist und sein Kollege in Zivil geleiten uns durch das Treppenhaus Pius IX. auf den Damasushof. Eine gepanzerte Limousine rollt heran – der deutsche Botschafter im Vatikan, erfahren wir. Ein weiteres Treppenhaus führt uns über zwei Stockwerke endlich zum Ziel – die Sala Clementina.

Beim ersten Anblick des Saales stockt mir der Atem – wunderschöne Malereien an Wänden und Decke verleihen ihm diese ganz spezielle Aura. Was für ein Rahmen für einen persönlichen Empfang des Papstes! Der zweite Gedanke geht an die Akustik: Oha, eine steinerne Turnhalle mit Marmorboden, eine echte Herausforderung. Unser Kapellmeister ermahnt uns, an die Lautstärke zu denken. Mensch Jürgen, zumindest heute kannst Du Dich hundertprozentig auf uns verlassen.

Das Kommando lautet – geht die Seitentür auf und das Licht wird heller: Dann spielen! Ewiges Warten, die Spannung ist kaum zu beschreiben. Aller Blicke richten sich auf die Holztür, als sie sich endlich öffnet. Im gleichen Augenblick schießt ein Arm heraus, der beschwichtigend „halt, halt!“ sagen will. Der Arm gehört zur rechten Hand des Papstes, Monsignore Georg Gänswein – dem schönsten Mann im Vatikan. Das ist nicht mein Urteil, sondern ein allgemein kolportiertes. Der Privatsekretär tuschelt mit Kapellmeister Wüst und verschwindet wieder. Eine Planänderung in letzter Sekunde, wo gibt’s denn sowas? Der Papst will die Bayernhymne in der Mitte und nicht am Schluss. Okay, soll er bekommen. Weil’s der Papst ist.

Als es dann endlich losgeht, stimmen wir den Fliegermarsch an. Der Papst lacht. Aus Freude über die ungewohnten Klänge in diesem wahnsinnig festlichen Saal? Ich hoffe es in diesem Augenblick. Im nächsten denke ich mir: Um Gottes Willen, was ist das für eine Akustik?! Vorne muss ja nur ein einziger Klangbrei ankommen… Delegationsmitglieder der Stadt sagen uns hinterher, dass es sich wunderbar angehört hat. Verklärte Rückschau? Egal, wir machen das Beste draus und genießen den Nachhall des Schlussakkords.

Wir sind Zeugen einer Rede des Oberbürgermeisters, in der er den Papst an seine Freisinger Zeit erinnert. Dessen Replik fällt ebenso launisch wie ehrlich aus – und vor allem ohne jedes Manuskript. Er erinnert sich an den entscheidenden Moment der Priesterweihe im Freisinger Dom: Bäuchlings auf dem Boden liegend, allein mit sich und dem Weg, den er beschreiten will. Ab wann weiß man eigentlich, dass man später mal Papst wird, schießt mir ein skurriler Gedanke durch den Kopf. Lange Spaziergänge durch die Isarauen, die letzten Jahre mit seinen Eltern auf dem Domberg. Eine sehr persönliche Geschichte, eine enge Verbundenheit. Was er wohl damals den Marktlern oder in Altötting erzählt hat?

Kurze Unsicherheit, was passiert? „Jetzt hätte ich beinahe das wichtigste vergessen, den Segen!“ Der Mann hat Humor, unglaublich. Irgendwie doch nur ein Mensch. Wieviel von Gott hat er eigentlich? Noch so ein Gedanke.

Endlich Shakehands. Endlich dürfen die Wichtigen wichtige Worte im Zwiegespräch an den Papst richten. Es hat etwas, das ganze aus sicherer Entfernung zu beobachten. Wir sind uns unserer Aufgabe bewusst – die Zeremonie würdig zu gestalten, ihr aber auf der anderen Seite auch etwas ihrer Bierernsthaftigkeit zu nehmen. Wir bringen einen ehrlichen, musikalischen Gruß aus der Heimat, der mehr sagt als lange Worte. Und sollte der Papst doch zu uns herkommen, haben wir uns auf ein „Grüß Gott“ geeinigt. Ganz soweit kommt es nicht, aber immerhin gibt es ein wunderschönes Gruppenfoto der Stadtkapelle mit dem Mann in den roten Schuhen. Da fällt mir ein, ich wollte Jürgen und Odilo doch einmal fragen, was sie ihm nun zur Begrüßung gesagt haben.

Was bleibt, nachdem es vorbei ist? Ein Gefühl, das sich erst im Laufe der nächsten Tage einstellt, wenn die vielen Fragen und „Erzähl doch mal“ kommen. Ein Gefühl von Einmaligkeit. Auch ein Gefühl von „So schlimm war‘s dann ja gar nicht“. Und ein Gefühl von „Wir sind Papst“. Und ganz ehrlich gesagt – das fühlt sich nicht schlecht an.